Bundesverband Deutscher Stiftungen
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Mannheimer Morgen vom 09. November 2005

Musik und Rhythmus stellen Kontakt zu hörbehinderten Kindern her

EDINGEN: Rehabilitationspädagogin Ulla Klinkhart aus Edingen erhält Musikförderpreis der miriam-Stiftung

Von unserer Mitarbeiterin Hannelore Schäfer

Rehabilitationspädagogin Ulla Klinkhart aus Edingen "Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie", heißt es in einem Zitat von Ludwig van Beethoven. Dass gerade auch hochgradig hörbehinderte Menschen durch Musik in ihrer Gesamtheit gefördert werden können, mag zunächst paradox klingen. Die in Edingen wohnende Rehabilitationspädagogin Ulla Klinkhart kam im Rahmen ihrer Diplomarbeit zur Erkenntnis, dass es Hörbehinderten durchaus möglich ist, ihre "Antennen" zur Welt des Klangs auszufahren.

Klinkharts musikpädagogische Arbeit wurde im September mit dem Musikförderpreis "In Takt" der miriam-Stiftung ausgezeichnet. Mehrere Musikprofessoren verschiedener Universitäten, die mit dieser gemeinnützigen Stiftung zusammenarbeiten, haben Ulla Klinkhart den Einzelförderpreis zuerkannt.

Damit würdigte die Stiftung nicht nur ihre Leistung im musikkulturellen Umgang mit hochgradig hörbehinderten und gehörlosen Kindern, der Preis soll auch Ansporn sein, Menschen mit Behinderungen eine aktive Teilhabe an der Musik zu ermöglichen. Dies sei eine erfolgversprechende Methode und trage zur Entwicklung der Persönlichkeit, ihrer Kreativität sowie zur Integration in die Gesellschaft bei. Ziel ist es, dass Behinderte, Musik und Gemeinschaft in (Kon)-Takt kommen.

An letzterem mangelte es Ulla Klinkhart zunächst auch im Umgang mit dem eigenen Kind. "Ich verstand nicht, warum ich keinen Kontakt, keinen Zugang zu ihm fand", rätselte die Mutter damals. Erst als die Ärzte bei der einjährigen Lilli - heute ist sie zehn Jahre alt - eine schwere Hörbehinderung mit nur noch minimaler Hörfähigkeit feststellten, begriff Klinkhart das Hemmnis. Um die Kleine überhaupt verstehen und mit ihr kommunizieren zu können, nahmen die Eltern die Gebärdensprache zu Hilfe.

Diese so genannte bilinguale Erziehung, die neben der Laut- auch die Gebärdensprache einsetzt, stößt bei der Fachwelt immer noch auf Skepsis, bedauert Ulla Klinkhart. Dabei unterscheidet man zwischen der Deutschen Gebärdensprache (DGS) und den die Lautsprache begleitenden Gebärden (LBG). Zusammen mit Ehemann Dieter setzt sie beide Methoden mit Erfolg ein. Außerdem hat die musikbegeisterte Frau ein Gespür dafür entwickelt, wie wichtig es ist, die Sinne des Mädchens durch Musik zu stimulieren und damit auf einer ganzheitlichen Ebene zu fördern. "Ich habe für sie musiziert, mit ihr gesungen und getanzt und auf diese Weise ihre Empfindungen "ins Schwingen" gebracht, erzählt die 36-jährige Mutter zweier Kinder. Außerdem habe sie für die Kleine Kinderlieder und -verse in die Gebärdensprache übersetzt. Durch die Vielfalt der Angebote hatte sich das Mädchen gerade auch im sprachlichen Bereich sehr gut entwickelt. Diese positive Entwicklung machte Ulla Klinkhart Mut, ihre praktischen Erfahrungen in einem Studium an der Berliner Humboldt-Universität zu vertiefen. Im Fachbereich "Gehörlosenpädagogik" schrieb sie ihre Diplomarbeit.

Vorausgegangen war ein neues Konzept zur ganzheitlichen musikalischen Förderung von gehörlosen Kindern. Durch den Einsatz von Musik, Rhythmus und Sprache unter Mithilfe von manuellen Kommunikationsmitteln, erzielte die von ihr betreute Berliner Kindergruppe im sprachlichen Bereich sowie im Rhythmusgefühl und in der Kooperationsfähigkeit erhebliche Fortschritte. Zwei Filme dokumentierten die Entwicklung der Kinder und komplettierten ihre umfassende Arbeit, die ihr den eingangs erwähnten Förderpreis einbrachte. Inzwischen arbeitet Ulla Klinkhart als Hörbehinderten-Betreuerin bei der Stiftung Rehabilitation Heidelberg (SRH). Dort übersetzt sie für hörbehinderte Erwachsene Ausbildungsinhalte in deutsche Gebärdensprache. "Die Einrichtung ist vorbildlich, da hier Menschen mit den verschiedensten Behinderungen wieder ins Berufsleben integriert werden sollen", lobt Klinkhart ihren neuen Arbeitsplatz. Klar, dass Musik immer noch Teil ihres Lebens ist, spielt sie doch in der SRH-Bigband als Tenor-Saxofonistin mit.


Mannheimer Morgen vom 09. November 2005

Ein Trommelorchester aus Tauben

EDINGEN/DORTMUND: Hörbehinderte nehmen Töne wahr / Professorin Dr. Merkt lobt Ulla Klinkhart

Von unserem Redaktionsmitglied Simon Scherrenbacher

Ulla Klinkharts Arbeit mit hörbehinderten Kindern sei "beispielhaft", betont Prof. Dr. Irmgard Merkt. Sie ist für die fachliche Betreuung des Förderpreises "InTakt" zuständig, mit dem die Rehabilitations-Pädagogin ausgezeichnet wurde, und saß auch in der dreiköpfigen Jury des Förderpreises.

"Sie hat ihre Arbeit auch auf nicht-behinderte Kinder ausgedehnt", urteilt Merkt im Gespräch mit unserer Zeitung über die Edingerin Klinkhart. Dadurch seien auch andere Menschen mit dem Thema in Kontakt gekommen, sagt Merkt, die an der Universität Dortmund den Lehrstuhl für Musikerziehung und Musiktherapie in Rehabilitation und Pädagogik bei Behinderung innehat.

Die Teilhabe an der Gesellschaft sei ein generelles Ziel, auf das man die hörbehinderten Menschen vorbereiten müsse. "Das ist auch das Ziel des Förderpreises." Es sei wichtig, immer wieder in diese Richtung zu arbeiten. "Das Hindernis liegt aber nicht im Behinderten."

Doch wie können taube oder fast taube Menschen überhaupt Töne hören? "Musik wird über den ganzen Körper wahrgenommen", erklärt Merkt. So könnten Bass-Töne auch über die "Knochenleitung" als Vibration gespürt werden - ganz so, wie es Herbert Grönemeyer einst in einem Lied über eine hörbehinderte Frau festgehalten hat, deren Traummann ein Bassist sein soll: "Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist, wenn sie ihr in den Magen fährt." Irmgard Merkt zählt ein Beispiel aus der Realität auf: "In Ghana gibt es sogar ein Trommelorchester, das nur aus Tauben besteht."

Mit einer Mischung aus "Musik, Bewegung, Sprache und Kognition" habe Klinkhart den hörbehinderten Kindern Melodien, Rhythmen und Texte vermitteln können. Flexibilität und Offenheit habe sie auch damit bewiesen, dass sie dabei die Gebärdensprache mit einbezog.

Die Jury musste sich zwischen fünf Bewerbern für den Einzelpreis entscheiden, der mit 1500 Euro dotiert ist. Doch die Wahl in Dortmund fiel einstimmig auf Ulla Klinkhart.


Rhein-Neckar-Zeitung 15./16.10.2005

Ihr Musikprogramm ist mehr als "inTakt"

Die Edingerin Ulla Klinkhart erhielt für ihre Arbeit mit hörbehinderten Kindern und ihr Konzept den Förderpreis der "miriam-Stiftung"

Edingen-Neckarhausen. (nip) Ende September wurde Ulla Klinkhart mit dem Musikförderpreis "InTakt" der miriam-Stiftung ausgezeichnet. Die Heidelbergerin, die heute mit ihrer Familie in Edingen lebt, erhielt die Auszeichnung für ihre musikpädagogische Arbeit mit hörbehinderten Kindern.

Mit dem 2004 erstmals vergebenen Einzel- und Gruppenförderpreis will die vor zwei Jahren gegründete gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Arnsberg die bisher geleistete Arbeit öffentlich würdigen, Ansporn für musikkulturelle Arbeit von und mit Menschen mit Behinderungen sein, Qualitätsmaßstäbe setzen und das Bild von behinderten Menschen in der Öffentlichkeit positiv beeinflussen.

Auf der Internetseite der Stiftung (www.miriam-stiftung.de) heißt es weiter, dass für Menschen mit Behinderung die aktive Teilhabe an Musik eine gute und Erfolg versprechende Möglichkeit zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, ihrer Kreativität sowie zur Integration in die Gesellschaft ist. Musik, Gemeinschaft und Gesellschaft kommen "inTakt".

Die Stiftungsgründer, das Ehepaar Sonnemann, benannte ihre gemeinnützige Einrichtung nach der Tochter Miriam, die 1999 an einer Infektion starb. Miriam kam nach langer Kinderlosigkeit des Paares mit Down-Syndrom zur Welt, wurde von den Eltern nach Kräften gefördert und erfuhr in ihren 21 Lebensjahren so viel Zuwendung und Glück in den verschiedensten Lebensbereichen, darunter die Musik, wie andere ihr Leben lang nicht.

Mit Musik hatte auch Ulla Klinkhart seit frühester Kindheit zu tun. Musikalische Früherziehung, Musikabitur und das Erlernen von Flöte, Bratsche und Saxofon begleiteten die 36-jährige Mutter von zwei Kindern. Als ihre heute zehn Jahre alte Tochter zwölf Monate alt war, stellten die Ärzte die Diagnose der Hörbehinderung mit minimalem Hörrest. "Ihre Tochter ist stocktaub", sagte ein Professor schonungslos aber ehrlich.

"Mit dieser Diagnose konnte ich endlich etwas anfangen", meint Ulla Klinkhart im Gespräch mit der RNZ. Entgegen dem Rat von Spezialisten entschlossen sich die Eltern, im Umgang mit der Kleinen nicht nur die Lautsprache, sondern auch die Gebärdensprache mit einzusetzen. Dieses bilinguale Erziehungssystem stieß bei den Fachleuten eher auf Ablehnung, denn die Gebärdensprache ist zwar zwischenzeitlich offiziell anerkannt, gefördert wird sie aber nicht.

Ulla Klinkhart lernte die Gebärdensprache so rasch und so gut wie es ging, um mit der Tochter möglichst ungehindert zu kommunizieren. Gleichzeitig versorgte sie das Baby mit Musik: "Ich habe mit den Fingern auf ihr getrommelt, mit ihr getanzt und ihr vorgesungen", erzählt Ulla Klinkhart. Musik war schon immer ein wichtiger Teil ihres Lebens und sie wollte, dass ihre Tochter daran teilhaben kann. Diese Methode zeigte Wirkung: "Ihre ganze Person ist rhythmisiert und ihre Wahrnehmung für Musik und Rhythmus sensibilisiert. Dadurch hat sie sich auch sprachlich sehr gut entwickelt." Positive Impulse waren für die gesamte Entwicklung des Mädchens feststellbar - gerade im sprachlichen Bereich, dem Hauptziel der Hörbehindertenpädagogik. Als ihre Tochter drei Jahre alt war, begann Ulla Klinkhart an der Berliner Humboldt-Universität Rehabilitationspädagogik zu studieren. Im Fachbereich "Gehörlosenpädagogik" schrieb sie ihre Diplomarbeit, wobei sie im Rahmen ihrer Studien ein neues Konzept zur ganzheitlichen, musikalischen Förderung von gehörlosen Kindern entwickelte. Klänge, Vibrationen und Schwingungen brachten eine ganze Kindergruppe in Berlin "inTakt". Musik wurde für die Kinder erlebbar, wozu auch ein ganzes Sammelsurium an Instrumenten, Materialien und Bastelutensilien beitrug.

Klinkhart klapperte die Musikläden in Berlin ab, immer auf der Suche nach neuen und hilfreichen Tonwerkzeugen. Eine so genannte "Klangliege" leistete dabei neben anderen Instrumenten überzeugende Dienste. Klinkharts Arbeit beinhaltete aber auch eine Überprüfung ihrer Förderungsmethodik sowie eine fundierte Begründung der Konzeption. Beispiele aus der Musikgeschichte untermauerten ihre Ausführungen.

Zwei Filme, die die Entwicklung der von ihr betreuten Kindergruppe in Berlin dokumentierten, komplettierten ihre umfassende Arbeit. "Ich habe das dann der miriam-Stiftung geschickt", erzählt Ulla Klinkhart weiter. Mit Erfolg. Die Jury aus Musikprofessoren entschied, Ulla Klinkhart für ihre Arbeit den Einzelpreis "inTakt" zu verleihen. Klar, die Musik ist immer noch Teil ihres Lebens, denn sie spielt Saxofon in der SRH-Bigband. Dort arbeitet die Musikpädagogin auch: "Ich übersetze für hörbehinderte Jugendliche und Erwachsene Ausbildungsinhalte in deutsche Gebärdensprache." Anfangs habe sie von den Inhalten im Fachbereich Maschinenbau keine Ahnung gehabt - doch man lerne eben immer dazu.


Hochauflösende Version des Fotos: Ulla-Klinkhart.jpg (140 KB)