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Förderpreis InTakt 2015

Laudatio
von Frau Prof. Dr. Irmgard Merkt zur Preisverleihung an die Lautenbacher Blaskapelle:

Was assoziiert der normale Bürger, insbesondere aus dem Ruhrgebiet, mit dem Wort Blaskapelle? Genau: Blech, laut, Trachten, Oktoberfest Humtarassa, Tradition. Künstlerisch eher schlicht, Traditionelles wiederholend. Achtung, kann ich da nur sagen, oder im süddeutschen Jargon OBACHT: Bei der Lautenbacher Blaskapelle stimmt das meiste nicht. Was stimmt bei der Lautenbacher Blaskapelle: Das Blech. Laut stimmt nur manchmal, nicht immer, Trachten stimmt, wenn man das T-Shirt mit dem Bläser-Engel als Tracht bezeichnen mag. Von der Assoziation Oktoberfest stimmt gar nichts außer die generelle Verortung im Süddeutschen Raum, in Baden-Württemberg aber und keineswegs in Bayern. Humtarassa stimmt überhaupt nicht - und Tradition im Sinne von wenig Neuerung stimmt auch nicht. Und künstlerische Einfallslosigkeit stimmt erst recht nicht.

Wenn wir heute die Freude haben, der Lautenbacher Blaskapelle den Förderpreis InTakt 2015 zu überreichen, dann natürlich dafür, dass sie so wenig dem Bild einer traditionellen Blaskapelle entspricht. Natürlich spielen die meisten Mitglieder Blasinstrumente - aber es kommt halt auf das Wie und auf das musikalische Konzept an, was dabei herauskommt. Gegründet wurde die Blaskapelle von Herrn Klockenbring vor ziemlich genau dreißig Jahren 1985 - und da klang sie sicher noch ganz anders als heute. In welche Richtung hat sich die Blaskapelle entwickelt? Sie hat längst damit begonnen, mit professionellen Musikerinnen und Musikern von außerhalb zusammenzuspielen und neue musikalische Inhalte zu entwickeln. Aber nicht nur musikalische Inhalte, sondern auch Methoden. Die Methoden sind auch hier partizipativ: Alle können Ideen beitragen und die Verantwortung in der Umsetzung übernehmen. Insofern gleichen sich hier die inhaltlichen Ansätze der Preisträger dieses Jahres. Professionalisierung und Partizipation - das sind die beiden Schwerpunkte mit denen es in einem inklusiven Kulturleben weitergehen soll.

Professionalisierung, das heißt zum einen eine systematische musikalische Ausbildung und Anforderungen an die Mitglieder eines Ensembles. Professionalisierung, das heißt aber auch die Einbeziehung professioneller Musikpädagoginnen und Musikpädagogen und professioneller Künstlerinnen und Künstler. Beides passiert in der Lautenbacher Blaskapelle. Als professionelle Pädagogin wird zum Beispiel Dorothea Ferber mit einbezogen, die mir übrigens gestern in einer Mail geschrieben hat, dass sie lange in Dortmund war und bei der damals sehr bekannten Band Cochise mitgespielt hat. Bestimmt habe ich Frau Ferber schon auf der Bühne gesehen. So klein ist die Welt. Seit drei, vier Jahren arbeitet die Lautenbacher Blaskapelle mit dem Querflötisten Jos Rinck zusammen, den ich hier zusammen mit Herrn Klockenbring noch einmal herzlich begrüßen möchte. "Bei den Profi-Musikern haben wir erlebt, dass nicht nur wir von ihnen bereichert werden, sondern auch sie von uns. Das schafft eine enorme Selbstbestätigung, sich auf gleicher Augenhöhe zu begegnen." Das haben Sie, Herr Klockenbring kürzlich in einem Interview gesagt. Damit sind alle Ziele der Inklusion nicht nur im Bereich der Kultur genannt: Wechselseitige Anerkennung und Wertschätzung, Begegnung auf Augenhöhe. Ich möchte noch hinzufügen: Zutrauen zu allen an einem inklusiven Projekt Beteiligten, genau die Methoden in Anwendung zu bringen, die im "allgemeinen" künstlerischen Feld in Anwendung kommen. Also: Inklusive Kulturarbeit ist nicht die Anwendung des Besonderen, sondern die Anwendung des Normalen im künstlerisch Besonderen. Also, ganz um das Besondere kommen wir in den Künsten doch nicht herum. Und das ist auch recht so.

Ein Tag wie dieser ist eben kein normaler Tag mit Alltagsgeschäft, die Preisverleihung des Förderpreises ist auch kein Alltagsgeschäft, sondern eine besondere Situation, die aufgrund des Engagements so vieler Beteiligter möglich wurde.




Laudatio
von Frau Prof. Dr. Irmgard Merkt zur Preisverleihung an Lis Marie Diehl und Christoph Rodatz

Der Einzelpreis geht an zwei Preisträger, an
Lis Marie Diehl und Christoph Rodatz

Nimm zwei - das war einmal eine Werbung für Bonbons, an die ich mich durchaus erinnern kann. Nicht nur an die Werbung, sondern auch an die Bonbons mit zwei Geschmacksrichtungen in einer Tüte. Offen gestanden, mir haben sie gar nicht besonders geschmeckt....ich fand den Geschmack irgendwie künstlich.

Das ist beim Einzelpreis 2015 ganz anders, der schmeckt mir ganz hervorragend. Nimm zwei: Der Einzelpreis des Förderpreises InTakt 2015 wird in diesem Jahr zum ersten Mal an zwei Personen verliehen, allerdings nicht für zwei Geschmacksrichtungen in einer Tüte, sondern für eine Geschmacksrichtung in zwei oder hoffentlich bald vielen Tüten.

Nimm drei: Nimm Musik, Choreographie bzw.Tanz und Theater/das Wort. Diese drei künstlerischen Disziplinen sind von jeher eine enge Verbindung eingegangen. Historisch waren es diese drei Disziplinen, die in den Aufführungen der großen griechischen Amphitheater zusammengewirkt haben: Musik, Wort und Bewegung. Das Wort Musik kommt übrigens von dem Wort musiké, mit dem genau das Zusammenspiel dieser drei Disziplinen bezeichnet wurde. Wie die Aufführungen nach dem Prinzip der musiké genau ausgesehen haben, dass wissen wir natürlich nicht, und wie das Ganze damals geklungen hat, wissen wir auch nicht.

Was wir aber wissen, weil wir es heute sehen können, ist, wie das Ensemble I can be your translator das Zusammenwirken der künstlerischen Disziplinen versteht.

Das Ensemble I can be your translator entstand ist es im Rahmen des Projektes Dortmunder Modell: Musik an der TU Dortmund. Aus Workshops mit Mitgliedern von Station 17 aus Hamburg mit Ausbildungsangeboten an die Werkstattbeschäftigten, die im Rahmen des Dortmunder Modell: Musik musikalisch fortgebildet wurden wurde ein Musik- und Theaterkollektiv - als man die verschiedenen künstlerischen Interessen und Begabungen der Werkstattbeschäftigten erfuhr und erlebte. Lis Marie Diehl und Christoph Rodatz haben dann gemeinsam mit den professionellen Musikern und Beteiligten am Dortmunder Modell: Musik den Aufbruch in eine neue künstlerische Disziplin gewagt und gestaltet - mit einem Stück über Marilyn Monroe. Nicht der Blick auf Marilyn ist das Besondere - obwohl das Thema schon besonders genug ist - sondern die Art der Erarbeitung. Alle Ensemblemitglieder haben sich auf ihre Weise mit Marilyn Monroe befasst, die Filme gesehen, die Songs verinnerlicht - und sich Gedanken dazu gemacht, was eine Ikone wie Marilyn Monroe für sie selbst bedeutet und welche Gefühle der Blick auf ein solches Leben auslöst. Jedes der Ensemblemitglieder spielt ein Instrument und trägt zum Gesamtklang bei. Jedes Ensemblemitglied hat eine oder mehrere Solonummern, auch wenn es manchmal sehr sehr spannend ist, wie die jeweilige Solonummer gestaltet wird. Der Mut, selbst in der Aufführung noch nicht zu wissen, wie die Szene "ausgeht" - das unbedingte Vertrauen in die Schauspielerinnen und Schauspieler, in die Musikerinnen und Musiker - genau dieser Mut ist es, der Förderpreis InTakt verdient. Den Mutigen hilft das Glück, fortes fortuna adjuvat, so heißt ein lateinischer Spruch, aber im Falle von Lis Marie Diehl und Christoph Rodatz ist es nicht nur das Glück. Es ist zum einen die grundsätzliche Haltung der Wertschätzung und des neugierigen Interesses für die Handlungsmöglichkeiten von Menschen, die unter besonderen Bedingungen leben, es ist zum anderen der unbedingte Wille zur künstlerischen Qualität und es ist zum dritten eine unbeugsame Ausdauer, die die Theaterproduktion Displace Marilyn Monroe ausmachen. Von professioneller Kompetenz der Personenregie und von Humor ganz zu schweigen.

Um es noch einmal zusammenzufassen: Der Einzelpreis des Förderpreises InTakt 2015 wird verliehen an Lis Marie Diehl und Christoph Rodatz für die innovative und partizipative Regiearbeit im Kontext der Produktion "Displace Marilyn Monroe". Die Jury hofft, dass die Verleihung des Förderpreises ein Ausgangspunkt ist, möglichst vielen Theater- und Musikschaffenden die Grundprinzipien und Methoden dieser inklusiven Arbeit zu vermitteln und zur Diskussion und Gestaltung eines inklusiven Musik- und Theaterlebens beizutragen.