Bundesverband Deutscher Stiftungen
Startseite - Förderpreis InTakt

Förderpreis InTakt 2011

Aus den zahlreichen Bewerbungen ermittelte die aus drei MusikprofessorInnen bestehende Jury die Preisträger:

Mit dem Förderpreis I (Preisgeld € 3.500) würdigt die Jury das Konzept Extended Version der Brass Band Marshall Cooper & The Phonky Deputies, die gemeinsam mit Musikern des Dortmunder Modells ein energetisches Live-Programm entwickelt haben. Marshall Cooper Extended Version fördere mit ihrem Konzept die gleichberechtigte Teilhabe, in der Niveau und Qualität spielerisch zusammenfindet, so die Begründung der Jury. (Wortlaut der Laudatio weiter unten)

Der Förderpreis II (dotiert mit € 1.500) ging an Johannes Joliet, Leiter des Experimentalorchesters Halle 016 an der Bruderhausdiakonie Reutlingen. In der Laudatio würdigte die Jury das unerschrockene Erforschen und Experimentieren mit Klängen innerhalb seines Projekts und seiner musikpädagogischen Arbeit. (Wortlaut der Laudatio weiter unten)

Highlight der Preisverleihung waren die musikalischen Darbietungen der Preisträger. Während Johannes Joliet mit sphärischen und experimentellen Klängen begeisterte, sprang bei Marshall Cooper Extended Version und ihrer Brass Band Performance der musikalische Funken auf das Publikum über.

Der Förderpreis InTakt der miriam-stiftung zeichnet - in bundesweiter Ausschreibung - Einzelpersonen und Musikgruppen aus, die einen besonderen Beitrag zur kulturellen Teilhabe von Menschen mit Behinderung leisten, sei es über innovative Konzepte oder kreative Anwendung und Produktion von Musik. Weitere Infos auch unter Termine Berichte Presse

Laudatio

von Frau Prof. Dr. Irmgard Merkt zur Preisverleihung an Marshall Cooper & The Phonky Deputies

"Lieber Herr Hilleke, liebe Marshall Coopers, liebe Dortmunder Musiker,

geht man interessehalber auf die Homepage der Marshall Cooper & The Phonky Deputies, bekommt man gleich gute Laune. Ich muss das einschränken - also ich bekomme da gleich gute Laune. Man sieht, oder besser gesagt, ich sehe da professionelle Musiker mit - das ist ein etwas altmodisches Wort, aber ich benutze es trotzdem - unbändiger Spielfreude und mit einem bemerkenswerten Anteil an Humor und Selbstironie.

Zitat "Marshall Cooper verkörpern den verruchten und bizarren Zeitgeist legendärer Filmklassiker von Sergio Leone bis Quentin Tarantino. Verpackt ist das Ganze in den uramerikanischen Sound einer New-Orleans Brass Band".

Tja, Sie verkörpern nicht nur das, liebe Marshalls. Sie beantworten auch eine Frage, die sich viele Menschen nicht nur in der Bundesrepublik stellen. Sie beantworten die Frage "Wie geht eigentlich Inklusion?"

Inklusion von Menschen mit Behinderung in eine kosmopolitische, weltoffen ausgelegte Gesellschaft - das will gewollt und gemacht sein. Beide Seiten müssen lernen. Menschen mit Behinderung müssen lernen, sich immer mehr von Hilfe abzunabeln - das ist die Umsetzung der Selbstbestimmtheit. Menschen ohne Behinderung müssen einen neuen und unbefangeren Blick auf Menschen mit Behinderung lernen - das ist die Voraussetzung für jegliche Umsetzung von gleichberechtigter Teilhabe. Ein Beispiel dafür, wie Inklusion geht, zeigen Sie, liebe Marshalls.

Als musikalische Profis interessieren und öffnen Sie sich für neue Gruppenmitglieder, mit denen Sie musikalisch arbeiten, die sie musikalisch und menschlich integrieren. Sie reduzieren dabei nicht das musikalische Niveau, sie reduzieren auch nicht den Schwierigkeitsgrad. Sie ziehen nur neue Ebenen zusätzlich ein. Niveau und Qualität wirken spielerisch zusammen.

Das Ganze funktioniert natürlich nicht ohne die Menschen mit Behinderung, die ihrem Leben musikalische Akzente setzen. Ohne sie und Ihre Angehörigen, die die musikalischen Aktivitäten unterstützten, läuft natürlich auch nichts. Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir auch hier ein großes Netzwerk.

Fazit:

So geht also Inklusion: Musikalische Profis entwickeln und praktizieren Konzepte, in denen Menschen mit unterschiedlichen Vorerfahrungen gemeinsam professionelle Musik entwickeln. Inklusion heißt nämlich auch, dass auf dem Weg zu einem inklusiven Kulturleben letztlich auch der Behindertenbonus entfällt.

Liebe Marshalls, wenn man so viele Ordnungshüter auf einer Stelle sieht, könnte man sich ja unwillkürlich fragen: Haben wir was angestellt? Diese Frage kann ich in diesem Fall mit einem zufriedenen JA beantworten. Wir haben was angestellt. Wir haben in diesem Jahr der Marshall Cooper Extended Version den Förderpreis verliehen. Den Titel Ihres Programms All American Trash Tribute könnten wir also mit großem Vergnügen etwas abwandeln in All German Inklusion Tribute! Hinzufügen möchte ich noch, dass ohne den Einsatz von Claudia Schmidt und Lis Marie Diehl der Kontakt und auch das Projekt nicht so aussehen würde, wie es sich heute präsentieren kann. Insofern sind sie beide beim Applaus hier mit bedacht.

Wir danken Ihnen allen sehr für die fantastische und professionelle Arbeit und überreichen jetzt den Förderpreis InTakt 2011."

Laudatio

von Frau Prof. Dr. Irmgard Merkt zur Preisverleihung an Herrn Johannes Joliet

"Lieber Herr Joliet,

Die miriam-stiftung vergibt den Förderpreis InTakt an Einzelpersonen für die Entwicklung beispielgebender Methoden in der musikalischen Arbeit, die auch auf andere pädagogische Situationen und Fördersituationen übertragbar sind. Wenn heute der Förderpreis InTakt an Sie vergeben wird, dann sowohl für die Methoden als auch insbesondere für die musikalischen Inhalte, für die Sie stehen.

Als bildender Künstler und auch als Leiter des Experimentalorchesters Hallo 016 experimentieren Sie mit Materialien - und mit Klängen. Experimentieren heißt in diesem Fall: Sie sind gleichzeitig Gestalter und aktiver Teilnehmer eines Prozesses. Die Wissenschaft nennt das "teilnehmende Beobachtung", die Philosophie nennt das "Intersein" oder "Interbeing", die Musik generell und die Musikpädagogik nennt das Improvisation. Gemeint ist das gleichzeitige Erfinden, Ausführen und Reflektieren von musikalischen Prozessen. In unserer westlich - abendländischen Musikkultur kommt das hie und da vor, aber nicht allzu oft. Unsere Musikkultur orientiert sich eher am musikalischen Werk, als an Prozessen der Improvisation. Das "musikalische Werk" meint alle "vorgefertigten" Musikstücke, die sich jemand ausgedacht hat, also große Orchester- Kompositionen ebenso wie das kleine Lied, im weiteren Sinne natürlich auch die ganze Pop- und Rockmusik. In anderen Kulturen, in der arabischen und indischen Musikkultur zum Beispiel, - das nur als kleine Randbemerkung - kommt dem Aspekt der Improvisation ein weit höherer Stellenwert zu.

Dass Sie, lieber Herr Joliet, sozusagen unerschrocken das musikalische Erforschen von Klängen und das ständige Experimentieren mit ihnen zum Inhalt der Arbeit mit Ihrem Orchester gemacht haben, dafür gebührt Ihnen heute besondere Anerkennung. Was charakterisiert diese Arbeit aus unserer Sicht?

Zum einen ist es ein grundsätzliches Vertrauen in die Menschen, mit denen Sie arbeiten. Sie vertrauen der Wachheit, der Neugier und der Kreativität des Menschen. Das ist ein Vertrauen, das wir alle brauchen!

Zum anderen vertrauen Sie dem Prozess. Sie vertrauen der Tatsache, dass Menschen gestalterisch tätig sein können und wollen, Sie vertrauen der Tatsache, dass sich mit dem Gestalterischen Lern - und Entwicklungsprozesse verknüpfen.

Die materiellen Grundlagen der musikalischen Prozesse sind die Instrumente. Auch hier beschreiten Sie neue Wege. Sie machen mit traditionellen Instrumenten aus verschiedenen Kulturen Musik, sie entwickeln aber auch neue Instrumente wie das Langsait. Sie machen auf diese Weise deutlich, dass aus allen Materialien Klang und Geräusch innewohnen - und dass es an uns ist, das Verborgene herauszuholen.

Das Ganze "betreiben" Sie, wenn ich das mal so flapsig sagen darf, jenseits der Frage, ob das Ergebnis in irgendeinen musikalischen Mainstream passt. Sie bedienen mit dem Experimentalorchester keine platten Erwartungen an Wiedererkennen, Mitsingen und Schunkelei, Sie fordern auch etwas vom Zuhörer. Sie fordern Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, sich auf klingende Prozesse erwartungslos einzulassen. Damit sind Sie in bester Gesellschaft mit den künstlerischen Ansprüchen der sogenannten Neuen Musik, aber auch mit den Ansprüchen einer fortschrittlichen Musikpädagogik.

"Wir füllen eine bestimmte Menge von Zeit mit Klang und sagen dazu Musik" haben Sie einmal gesagt - und für die Art und Weise, wie Sie dies menschlich und künstlerisch tun, erhalten Sie heute den Förderpreis InTakt der miriam-stiftung.

Herzliche Gratulation! Die Gratulation gilt auch Frau Frohnert und Herrn Klein - zwei der hier anwesenden Mitglieder des Orchesters."

Weitere Informationen unter Termine Berichte Presse