Gedanken für den 26.11.2024
Einer wartet auf uns!
Ein Dorfschullehrer feiert Jubiläum. Vierzig Jahre ist er im Dienst. Der Schulrat und der Rektor, der Bürgermeister und der Pfarrer, die Kollegen und Freunde werden eingeladen. Es gibt ein wunderbares kaltes Buffet. Lange Lobreden schließen sich an. Zum Schluss ergreift der Lehrer selbst das Wort, bedankt sich herzlich und erzählt ein wenig aus den vierzig Jahren. Launiges aus dem Schulalltag, Humoriges von manchen Kollegen und dann Nachdenkliches, das niemand wieder vergessen wird. In den vierzig Jahren sind zehn lange Jahre Kriegsgefangenschaft in Sibirien enthalten. Schwere Arbeit unter Tage, kaum Nahrung, keine Verbindung mit der Frau zu Hause. Hoffen und Bangen und dann tiefe Verzweiflung und innere Zermürbung. Selbstmordgedanken kommen auf. Die letzten Kräfte sind aufgebraucht. Keine Hoffnung mehr, kein Lebenswille übrig. Da kommt eines Tages ein junger Mann aus dem Heimatdorf des Lehrers in das Lager. Als Siebzehnjähriger war er in den letzten Kriegstagen noch in die Schlacht geschickt worden und in russische Gefangenschaft geraten. Nun trifft er den Lehrer. Die beiden Männer umarmen sich und mischen ihre Tränen. Der Jüngere erzählt von zu Hause. "Niemand denkt, dass du noch lebst. Aber eine wartet auf dich, eine glaubt an dich und deine Wiederkehr, deine Frau wartet mit der ganzen Sehnsucht einer starken Liebe auf dich!"
Mit einem Blick zu seiner Frau hinüber sagt der Lehrer dann: "Diese Gewissheit, dass eine auf mich wartet, an mich glaubt, meine Rückkehr fest erwartet, in Liebe an mich denkt, das gab mir dann die Kraft, durchzuhalten und immer wieder gegen alle Verzweiflung zu hoffen, bis sich die Hoffnung erfüllte und wir uns nach zehn Jahren endlich wiedersahen!"
Auch wir werden Situationen erleben, wo wir nichts mehr zu erwarten haben. Dann müssen wir daran denken, dass wir in Liebe erwartet werden. Jesus am Thron Gottes wartet auf uns, er glaubt an uns, rechnet mit uns, freut sich auf uns. Er wartet mit der Sehnsucht einer vollkommenen Liebe auf uns. Das ist unsere Hoffnung gegen alle Resignation und Schwäche.
"Wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin!"
(Johannes 14,3)
Axel Kühner "Überlebensgeschichten für jeden Tag"
© & 1991 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 21. Auflage
2018
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de