Gedanken für den 04.07.2024

"Schade um den schönen Durst"

In einem kleinen Dorf wohnte ein Mann, der wegen seines Weinkellers bekannt war. Dort lagerten die besten, erlesensten Weinsorten. Und wenn Besuch kam, so wurde als Zeichen der Gastfreundschaft ein guter Tropfen angeboten. Nun wurde der Kenner bester Weine nierenkrank und kam ins Krankenhaus. Dort brachte ihm die Krankenschwester eine große Kanne Nierentee. Er nahm den ersten Schluck und seufzte dann der Schwester zu: "Schade um den schönen Durst!"

Aber auch Gott, der das ungestillte Verlangen des Menschen schmerzlich kennt, der den Mangel des Menschen leidend mit ansieht, der mit der Krankheit des Lebens mitfühlt, könnte denken: "Schade um
den schönen Durst!" Und doch dient unser "Krankenhausaufenthalt" unserer Gesundheit. Die schmerzlichen Erfahrungen von Leid und Not, Angst und Einsamkeit können uns helfen, Gott zu finden. Gott wählte gerade den Wein und den Kelch zum Zeichen des bitteren Leidens und gab uns Menschen das teure, kostbare Blut seiner Passion in einem Kelch und als Wein zu trinken. Damit wir im Leiden Christ! Vergebung, im Sterben Gottes das Leben, im ausgegossenen Opfer seiner Liebe die Heilung und Freude finden können. - So haben unzählige Leidende sich tröstend Bonhoeffers Worte geliehen: "Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus Deiner guten und geliebten Hand" Und haben dabei an Christi Passion und seinen Auferstehungssieg gedacht.

"Zur selben Zeit werden die Berge von süßem Wein triefen und die Hügel von Milch fließen, und alle Bäche in Juda werden voll Wasser sein. Und es wird eine Quelle ausgehen vom Hause des Herrn!"

(Joel 4,18)



Axel Kühner "Überlebensgeschichten für jeden Tag"
© & 1991 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 21. Auflage
2018
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de