Gedanken für den 10.02.2024

Das Testament

Ein wohlhabendes Elternpaar hatte einen Sohn. Die Mutter starb, als der Junge noch klein war. Nun galt die ganze Liebe des Vaters seinem Kind. Der Junge wuchs unter der liebevollen Fürsorge des Vaters heran. Zwischen Vater und Sohn entstand eine innige Beziehung von Vertrauen und Zuneigung. Wie groß war der Schmerz, als der gerade erwachsene Sohn eines Tages starb! Der Vater litt unsäglich unter dem Verlust des geliebten Sohnes. Nach einigen Jahren quälender Einsamkeit starb auch der Vater. Nach der Beerdigung kamen die Verwandten, um das Testament zu öffnen. Sie waren gespannt, wem das große Vermögen zufiele. Aber sie suchten ohne Erfolg. Im ganzen Haus war kein Testament zu finden.

So beschlossen die Verwandten, den Besitz unter sich aufzuteilen. Am Nachmittag kam auch das Hausmädchen, das jahrelang für die Familie treu gearbeitet hatte. Sie trauerte dem Mann nach, der ihr in seiner Liebe zu seinem Sohn immer ein Beispiel gewesen war. Sie wollte nichts von den wertvollen Dingen aus dem Haus. Sie wollte nur ein Andenken an die Familie mitnehmen. So nahm sie ein kleines Bild von der Wand, das den Vater mit dem Sohn zeigte. Es war nur eine ganz einfache Fotografie, aber sie würde das Mädchen stets an die Liebe zwischen Vater und Sohn erinnern. Sie brachte das Bild nach Hause, und als sie es bei sich aufhängen wollte, fiel ein Stück Papier auf den Boden. Sie nahm es auf und fand das Testament des Vaters. Er hatte geschrieben: "Wer immer den Wunsch hat, dieses Bild zu besitzen, soll mein Erbe sein. Er soll meine ganzen Besitztümer erhalten!"

Sind wir nicht auch wie die Verwandten? Wir kommen lediglich zum Haus des Vaters, um von seinen Reichtümern zu bekommen. Es geht uns nicht um seine Liebe, seinen Sohn, sondern nur um die Reichtümer aus seiner Hand. Aber die Bibel sagt uns, dass wir nur in der Liebe des Sohnes reich sind.

"Wer den Sohn hat, der hat das Leben!"

(I. Johannes 5,12)



Axel Kühner "Überlebensgeschichten für jeden Tag"
© & 1991 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 21. Auflage
2018
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de