Gedanken für den 16.10.2023

Ich denke an Rilkes Herbsttag-Gedicht

Mein Sommer war nicht groß
wenn ich ehrlich bin
er war nie da
blieb fern
wie vieler Menschen Sommer
fernbleibt.
Sein Schatten
lag verfrüht
auf Sonnenuhren
und arge Winde
warn vorzeiten los.

Vollendung
ohne Sonne
ohne Süße
überhaupt
wie sollte das geschehn?
Zu keltern
eine derart kümmerliche Traube
verlohnt sich nicht.

Ein Haus
das hab ich nicht
und werd ich niemals haben.
Allein
werd ich wohl weiter bleiben
und wachen nachts
mich ängstigen und sehnen.

Das Lesen
ist mir schwer geworden
und lange Briefe schreiben
wer
würde sie denn haben wollen?

Was bleibt
von Rilkes Herbsttag mir?

Das unruhig Wandern
zwischen Jetzt und Niemalsmehr
und manchmal noch
ein Laufen durch Alleen
im November

und irgendwo
ein klitzekleines
unbestimmtes
Fetzchen Hoffnung.

Herr es wird Zeit.
(Ute Zydek)

"Erhöre mich, Herr, denn deine Güte ist tröstlich; wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knechte, denn mir ist angst; erhöre mich eilends. Nahe dich zu meiner Seele und erlöse sie!"
(Psalm 69,17ff)


Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage
2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de