Gedanken für den 07.09.2023
In Wahrheit aufdecken - in Liebe zudecken
Sibille kam vom Spielplatz zurück. Müde schlenkerte sie ihr Eimerchen hin und her. Sie kam an einem kleinen Obstgeschäft vorbei. Draußen vor dem Laden lagen zwei hohe Berge mit Apfelsinen. Die waren gut gegen ihren Durst. Sibille vergaß weiterzugehen. Sie starrte auf die lockenden Früchte. Ganz ohne Netz lagen sie in einer offenen Kiste vor ihr. Niemand würde bemerken, wenn eine fehlte. Der Laden war leer. Sie guckte nach rechts und nach links. Auch auf der Straße sah sie niemanden. Sie überlegte; sie zögerte - sie griff: Eine Apfelsine fiel in das Sandeimerchen. Als sie rasch davonlaufen wollte, stand hinter ihr der Kaufmann. "Guten Tag, mein Fräulein!" sagte er. Dabei schaute er Sibille in die Augen. Sie konnte nicht weitergehen; sie konnte nicht reden. Auch der Kaufmann sagte nichts. Sie fasste in das Sandeimerchen und reichte dem Kaufmann die Apfelsine. Er nahm sie und suchte in der Tasche nach einem Messer. Dann hockte er sich neben Sibille. Ganz langsam schnitt er mit dem Messer die Schale auf. Keiner sagte ein Wort. Als der Kaufmann damit fertig war, drückte er ihr die geschälte Apfelsine in die Hand. Sie wollte sie nicht nehmen, sie schämte sich. Aber er stand auf, nickte Sibille zu und ging wieder in seinen Laden. (Hans Peter Richter)
Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe, denn die Liebe deckt auch der Sünden Menge!
1.Petrus 4,8
Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage
2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de