Gedanken für den 16.05.2023

Gastfreundschaft

Rabbi Schmuel von Brysow war einer der von seiner chassidischen Richtung am höchsten geachteten Männer. Und er war reich.
Eines Tages kam eine große Gruppe von Kaufleuten nach Brysow, und zwar kurz vor Sabbatanbruch, so dass sie sich entschlossen, den Festtag über in der Stadt zu bleiben. Sie kamen zu Rabbi Schmuel und erkundigten sich, ob sie in seinem Hause wohnen und das Sabbatmahl mit ihm teilen dürften. Rabbi Schmuel erwiderte, er könne ihnen beides anbieten, allerdings nur gegen Bezahlung, und dann nannte er sogar noch eine recht hohe Summe, die sie für ihren Aufenthalt zu bezahlen hätten.
Die Reisenden waren befremdet, dass ein Chassid für die Wohltat der Gastfreundschaft Bezahlung verlangte, aber da sie keine Wahl hatten, nahmen sie sein Angebot an. Und so aßen und tranken die Kaufleute über den Sabbat zur Genüge, ja verlangten sogar noch erlesene Weine und ausgewählte Speisen als Entgelt für den hohen Preis, den sie zu entrichten haben würden. Auch zögerten sie nicht, alle möglichen Sonderwünsche zu äußern.
Als der Sabbat vorüber war und die Kaufleute ihre Reise fortsetzen wollten, traten sie in Rabbi Schmuels Studierzimmer, um die vereinbarte Summe zu entrichten. Der aber brach in Lachen aus: "Glaubt ihr, ich habe den Verstand verloren? Wie könnte ich Geld annehmen für das Privileg, Reisenden Gastfreundschaft zu gewähren?" Die Kaufleute sahen einander verständnislos an: "Warum habt Ihr uns denn dann nur unter der Bedingung aufgenommen, dass wir Euch hoch bezahlen?"
Da erklärte Rabbi Schmuel: "Ich fürchtete, es könnte euch peinlich sein, auch genug zu essen oder die besten Weine zu trinken, wenn ihr euch nur als meine Gäste fühlt. Und - seid ehrlich, hatte ich nicht recht?" (Eine chassidische Geschichte)

Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt!
Hebräer 13,2




Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage
2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de