Gedanken für den 13.04.2023

Gedanken einer gelähmten Frau

"Ich lese Markus 2,1-12 und stelle mir vor: Ich bin der Gichtbrüchige. Ich sehe mich an seiner Stelle. Ich hänge in den Seilen. Ich bin abhängig. Aber diese Abhängigkeit hat einen Sinn. Ich lasse alles mit mir geschehen und überlasse mich den vier Trägern. So gelassen liege ich vor Jesus. Nicht verlassen, nicht allein gelassen. Weil das im Glauben geschieht. Diese Kraft muss mich tragen.
Hinter Jesus steht Gott. Das Geheimnis liegt in der Kraft dieser Worte von der Sündenvergebung. Vor mir ziehen alle Dunkelheiten vorüber, die mit der Krankheit verbunden sind, die mich trennen von dem Einssein mit Gott. Kein Vorwurf, kein Gebot. Nur ein Angebot: ‚Dir sind deine Sünden vergeben.’ Und sie laufen mir davon, sie werden über Bord geworfen: die Resignation, Mutlosigkeit, Traurigkeit, Verzagtheit, Empfindlichkeit, das Im-Recht-sein-Wollen, Hadern, Sich-zurückgesetzt-Fühlen, Sich-vonGott-vernachlässigt-Fühlen ... Kann ich so sein, wie Gott mich gedacht hat? Auch mit der Krankheit? Ja. Ich sage ja zu Vers fünf: ‚Deine Sünden sind dir vergeben.’
Jetzt habe ich alles hergegeben, was zwischen Gott und mir stand; auch die Angst, die Angst um das Fortschreiten der Krankheit. Jetzt gebe ich alles ab. Ich mache mir nichts mehr vor. Ich mache mich fest. Jesus befestigt und befreit mich zugleich. Ich stehe nicht mehr abseits, am Rande. Die Träger bringen mich zu Jesus. Das Trauern hört auf.
Der Gichtbrüchige kann wieder gehen. Man wird ihn stützen und halten und langsam, Schritt für Schritt führen - nach Hause.
Ich mache mich auf den Weg, setze mich in Bewegung mit meinem elektrischen Rollstuhl - nicht nach Hause ... zurück ins Heim. Der Wind berührt mich. Ich bin dankbar. Ich sehe die Brennnessel am Wegrand. Ich stelle mich unter einen Baum und lausche. Ich merke nicht mehr, dass ich mich ‚anders’ fortbewege. Der Rollstuhl ist wie vergessen. Laufe ich? Ja. Stehe ich still? Ja. Springe ich über einen Graben? Bücke ich mich nach der Heide? Ja. Gehe ich durch den warmen Sand? Ja. Berühre ich die kühlen Lärchenzweige? Ja. Merken die anderen, dass ich das Gehen erlebe? Im Rollstuhl? Doch. Sie lächeln zurück, Kinder laufen mit mir um die Wette, das Baby im Wagen bekommt einen breiten lachenden Mund, Menschen am Stock rufen: ‚Sie haben es gut!’ Ich bin nicht gesund. Aber heil vor Gott.
Irgendwann und irgendwo werde ich zu Jesus vom Dach heruntergelassen. Und jedes Mal, wenn das geschieht, werde ich wieder wie gesund und heil in ihm.
Gebet:
Herr, unser Schöpfer,
wir bitten dich für alle Kranken,
dass sie dir gebracht werden,
dass keiner sagen muss: Ich habe niemanden. Amen."
(Liselotte Jacobi)

Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh. heim!
Markus 2,11




Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage
2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de