Gedanken für den 24.03.2023

Was wir alles anhaben

Karlchen darf das erste Mal allein verreisen. In den Sommerferien soll er die Großeltern besuchen. Er freut sich riesig auf die Abwechslung und fährt voller Erwartung los. Völlig frustriert kehrt er nach wenigen Tagen zurück. "Nie wieder fahre ich zu den Großeltern!", verkündet er.
"Was ist denn los, war es nicht schön?", fragt die Mutter.
"Nein! Stell dir vor, Oma und Opa sitzen im Wohnzimmer auf dem Sofa und haben nichts an!" - "Nichts an?", fragt die Mutter erschrocken.
"So was Ödes, sitzen im Wohnzimmer und haben nichts an, kein Radio, kein Fernsehen, kein Video, keinen Gameboy, keinen Computer, noch nicht einmal einen Cassettenrecorder oder einen CD-Player haben sie. Da fahre ich nicht mehr hin!"
Was haben wir so alles an! Was muss alles laufen, damit es bei uns läuft! Morgens vom Radiowecker geweckt, den Tag über bedudelt und berieselt und spätabends vom Fernseher beschlagnahmt, zwischendurch von Computerspielen und Videoclips. Wir hoppen durchs Leben und zappen uns durch die Programme. Verabredungen oder Unternehmungen richten sich nach den Anfangszeiten der Fernsehsendungen.
Die interessanten Gespräche bleiben auf der Strecke, die guten Bücher im Schrank, die kreativen Ideen unentdeckt. Das Leben verkommt zum Verbrauchen geistiger Fertignahrung, Beziehungen verarmen, Seelen vertrocknen. Die Gestaltung unseres Lebens haben längst andere Mächte übernommen.
Haben statt Sein, Anhaben statt Zusammensein sind die einfachsten Möglichkeiten, kostbares Leben zu verderben. Es wird höchste Zeit, die Geräte und Apparate in ihre Schranken zu weisen und die unbeschränkte Möglichkeit zu nutzen, mit sich identisch und mit anderen zusammen zu sein, aktiv und kreativ.

Unsre Seele harrt auf den Herrn; er ist uns Hilfe und Schild. Denn unser Herz freut sich seiner, und wir trauen auf seinen heiligen Namen. Deine Güte, Herr, sei über uns, wie wir auf dich hoffen!
Psalm 33,20f




Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage
2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de