Gedanken für den 07.03.2023
Der goldene Fisch
"In einem schönen, von Gott erschaffenen Garten lebten einmal ein Mann und eine Frau. Gott hatte ihnen die Pflege der Pflanzen und Bäume anvertraut, die Sorge um die Fische, die Vögel und die Landtiere. Dafür schenkte der Garten dem Mann und der Frau alles, was sie zum Leben brauchten, Nahrung und frisches Wasser, den Tag und die Nacht, den Lauf der Sonne, den Wechsel des Mondes, den Stand der Sterne, die Jahreszeiten: den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter.
Eines Tages entdeckten der Mann und die Frau in einem Fluß einen Fisch. Er besaß goldene Schuppen. Aber als sie ihn fangen wollten, entwischte er ihren Händen und schwamm davon. Der goldene Fisch ließ dem Mann und der Frau keine Ruhe mehr. Sie fingen an, ihn zu suchen, und ihre Wege trennten sich. Der Mann ging am rechten, die Frau am linken Ufer entlang. Beide hofften, dem anderen mit dem Fang zuvorzukommen.
Der Wunsch, den goldenen Fisch zu besitzen, beherrschte alle ihre Gedanken. So kam es, daß sie den ihnen anvertrauten Garten mehr und mehr vergaßen, die Pflege der Pflanzen und Bäume, die Sorge um die Fische, die Vögel und die Landtiere.
Die großen Pflanzen zerstörten die kleinen, und die starken Tiere töteten die schwachen. Die vielerlei Arten der Pflanzen und Bäume, der Fische, der Vögel und der Landtiere wurden immer weniger.
Und eines Morgens, als der Mann und die Frau erwachten, war der Garten verödet und der Fluß ohne Wasser. Erschrocken machten sie sich auf, um nach seiner Quelle zu suchen. Dort trafen sie sich nach vielen Tagen und Nächten. Die Quelle war ausgetrocknet, und auf ihrem Grund lag der goldene Fisch. Er war tot.
Da schauten sich der Mann und die Frau in die Augen und weinten zum erstenmal. Sie wußten, daß sie den ihnen anvertrauten Garten für immer verloren hatten. Auch Gott trauerte um seinen Garten. Aber als er sah, wie der Mann und die Frau niederknieten, um mit ihren Händen nach einer neuen Quelle zu graben, hatte er Erbarmen. Und weil er wußte, daß sie es allein nie schaffen würden, einen neuen Garten zu bauen, schenkte er ihnen Kinder und den Kindern dieser Kinder die Verantwortung. Und diese Kinder sind wir."
(Max Bolliger)
"Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bebaute und bewahrte. Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, mußt du des Todes sterben!"
(1. Mose 2,15ff)
Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage
2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de