Gedanken für den 15.02.2023

Zu sich selber stehen

In der übersteigerten Sehnsucht, von anderen akzeptiert, wertgeschätzt und angesehen zu sein, werden wir selbst unser schlimmster Feind. Ständig vergleichen wir uns in Ansehen und Anziehung mit anderen Menschen. Wir beneiden sie um ihre Intelligenz und Schönheit, ihren Reichtum und ihren Erfolg. Ganz unbewusst kritisieren und verachten wir uns dabei selber, machen uns klein und fühlen uns mies. Um das auszugleichen, beginnen wir ein übles Rollenspiel. Wir schlüpfen in fremde Rollen, setzen interessante Masken auf und erwerben uns Statussymbole, die in der Gesellschaft gelten. Wir täuschen vor, was wir nicht sind, und täuschen uns darin, wer andere sind. Niemand soll unsere Ecken und Kanten spüren, keiner unsere Fehler und Schwächen durchschauen, weil wir andere glatt, stark und erfolgreich wähnen. Niemand soll erfahren, wie einsam, ungeborgen, fremd, ängstlich und schwach wir sind. Wir haben Angst, dass andere uns herabsetzen und in unseren Wunden lustvoll herumkratzen und sich an unserer Schwäche weiden. Darum verbergen wir unser wirkliches Selbst aus Angst vor Verletzung und Verachtung.
Und was wir oft nicht bedenken, ist, dass es den anderen Menschen ähnlich ergeht. So entsteht eine Gesellschaft von verkrampften, gequälten Schauspielern, in der jeder seine eigene Identität verraten hat. Zwischen Überforderung und Untererfüllung geraten wir ins Schleudern, verleugnen uns selbst auf eine völlig falsche Weise, schämen uns unserer selbst und unserer Eigenart.
Es wird höchste Zeit, dass wir uns von Gottes unbedingter Liebe her als einzigartig und angenommen erkennen, unsere ureigene Identität leben, mit unserem Alter und Geschlecht, Charakter und Beruf, mit unseren Gaben und Grenzen, unserer Wohn- und Lebensart versöhnen. Versuchen wir nicht, wie andere oder anders zu sein, stehen wir zu uns selbst und vergleichen wir uns nicht mit anderen, weil jeder Mensch vor Gott unvergleichlich ist.

Weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist, habe ich dich lieb.
Jesaja 43,4




Axel Kühner "Hoffen wir das Beste"
© 1997 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 9. Auflage
2016
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de