Gedanken für den 16.09.2022

Schlagfertig oder zum Verständnis bereit?

Von Johann Peter Hebel gibt es eine Geschichte von einem Bauern, der eines Tages den Lehrer im Feld trifft. "Ist es noch Euer Ernst, Schulmeister, was Ihr gestern den Kindern erklärt habt: So dich jemand schlägt auf deine rechte Backe, dem biete auch die andere dar?" Der Schulmeister sagt: "Es steht im Evangelium!" Also gab ihm der Bauer eine Ohrfeige und die andere auch, denn er hatte schon lange einen Verdruss auf ihn. Indem reitet in einer Entfernung der Edelmann vorbei und sein Jäger. "Schau doch mal nach, Joseph, was die zwei dort miteinander haben!" Als der Joseph kommt, gibt der Schulmeister, der ein starker Mann war, dem Bauern auch zwei Ohrfeigen und sagt: "Es steht geschrieben: Mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch wieder gemessen werden. Ein voll gerüttelt und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben!" Und zu dem letzten Spruch gab er ihm noch ein halbes Dutzend Ohrfeigen drein. Da kam Joseph zu seinem Herrn zurück und sagte: "Es hat nichts zu bedeuten, gnädiger Herr, sie legen einander nur die Heilige Schrift aus!"
Wie oft haben sich Menschen die Worte Gottes um die Ohren gehauen und Gottes heiliges Wort als Waffe gegen andere benutzt. Über das Wort der Liebe sind Menschen in Streit geraten, und über dem Mahl der Liebe haben sich Christen entzweit. Die Bibel sieht das Wort Gottes als ein Schwert, das uns trifft, das Böse trifft. Aber wir sollten Gottes Wort und unsere Auslegung nicht als Waffen gegen andere einsetzen.
Sind wir treffend oder verbindend? Sind wir schlagfertig, also zum Schlag bereit, oder zur Verständigung und Versöhnung fähig?

Und Jesus fing an bei Mose und den Propheten und legte seinen Jüngern in der Schrift aus, was darin von ihm gesagt war.
Lukas 24,27




Axel Kühner "Eine gute Minute, 365 Impulse zum Leben"

© 1994 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 11. Auflage

2015

Mit freundlicher Genehmigung des Verlages

Quelle: www.miriam-stiftung.de