Gedanken für den 13.08.2022

Wenn Wissenschaft nur Wissen schafft

Vier königliche Prinzen wollten sich auf Erden umschauen und es in der Naturwissenschaft zu besonderen Kenntnissen bringen. Sie vereinbarten einen Treffpunkt für ihr Wiedersehen und zogen aus, sich kundig zu machen. Die Zeit verging, und die Brüder fanden sich am Treffpunkt ein. "Ich habe die Fertigkeit erworben", sagte der erste, "die es mir, wenn ich von einem Geschöpf nur einen Knochensplitter habe, ermöglicht, auf der Stelle das dazugehörende Fleisch zu erschaffen." - "Ich habe mir die Fähigkeit angeeignet", sagte der zweite, "dem Geschöpf Haut und Haare wachsen zu lassen." Der dritte sagte: "Ich kann ihm zu allen Gliedern verhelfen, wenn ich Fleisch, Haut und Haare zur Verfügung habe." - "Und ich", schloss der vierte der Brüder, "weiß, wie man das Geschöpf zum Leben erweckt, wenn es seine Gestalt und alle Glieder besitzt." So gingen die vier Brüder in den Dschungel und suchten nach einem Knochenstück, um ihre Kräfte spielen zu lassen. Das Schicksal fügte es, dass sie einen Löwenknochen fanden; sie wussten es aber nicht und nahmen ihn mit in ihr Labor. Der eine verhalf dem Knochen zum Fleisch, der andere überzog ihn mit Haut und Haaren, der dritte versah ihn mit den dazu passenden Gliedern, und der vierte erweckte den Löwen zum Leben. Da schüttelte die Bestie ihr mächtiges Haupt, reckte sich mit ihrem drohenden Rachen, ihren scharfen Zähnen und unerbittlichen Pranken und stürzte sich auf ihre Schöpfer. Alle brachte sie um und verschwand wieder im Dschungel. (Nach einer altindischen Geschichte)
Wissen ohne Liebe macht kalte Techniker. Und Wissenschaft, die sich vom Schöpfer des Lebens löst, wird eines Tages ihre eigenen Schöpfer auffressen.

Ein Kluger sieht das Unglück kommen und verbirgt sich, aber die Unverständigen laufen weiter und leiden Schaden!
Sprüche 27,12




Axel Kühner "Eine gute Minute, 365 Impulse zum Leben"

© 1994 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 11. Auflage

2015

Mit freundlicher Genehmigung des Verlages

Quelle: www.miriam-stiftung.de