Gedanken für den 17.01.2022
Trost oder Vertröstung
Die Häsin lag sehr krank. Da kam der Igel zu Besuch und brachte ein paar frische Kleeblätter mit und sagte: "Kommt Zeit, kommt Rat!" Gut gemeint, aber wann kommt die Zeit, und welcher Rat wird es sein? - Tags darauf sah die Eule herein und meinte: "Gut Ding will Weile haben!" Sprach's und verabschiedete sich. Die Häsin dachte: Ich kann mir aber keine Weile leisten. - Als die Feldmaus durchs Fenster guckte, fiepte sie: "Kopf hoch, Frau Nachbarin, so trägt eben jeder sein Päckchen!" - Die alte Katze sah auch kurz herein und erkundigte sich nach dem Befinden. "Es wird schon werden!" meinte sie schnurrend und meinte es ja ehrlich. - Als dann der Maulwurf seine Hemmungen überwand und durchs Fenster rief: "Keine Sorge! Ende gut, alles gut!", da empfand die Häsin nur noch Bitterkeit. In der Küche tobten die Jungen, und nichts war fertig geworden. Dazu noch die eigene Angst. Witzig sollte es klingen, als die Elster vom hohen Baum rief: "Kommen wir über den Hund, kommen wir über den Schwanz! Geduld, Geduld, Geduld!" - Können die alle sich denn gar nicht vorstellen, wie mir zumute ist? dachte die Kranke. Müssen die denn alle solchen gutgemeinten Unsinn reden?
Während sie noch voller Enttäuschung so nachdachte und merkte, dass all der gutgemeinte Trost im Grunde keiner war, kamen die Ameisen herein, grüßten kurz, stellten Feldblumen auf den Tisch, machten die Küche sauber, versorgten die jungen Hasen, waren bei alledem sehr leise und verabschiedeten sich ohne jeden Aufwand. Da trat viel Ruhe ein und vor allem: Die Hoffnung wuchs. (Peter Spangenberg)
Es lebe ein jeglicher unter uns so, dass er seinem Nächsten gefalle zum Guten, zur Auferbauung!
Römer 15,2
Axel Kühner "Eine gute Minute, 365 Impulse zum Leben"
© 1994 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 11. Auflage
2015
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de