Gedanken für den 25.10.2021
Die Legende von der blauen Krähe
Auf weiter Steppe stand einsam die Pinie,
verlassen, traurig, allein.
Und Tag um Tag gab es niemand,
der da war, um sie zu erfreun.
Niemand, mit dem sie beim Mondenschein träumte,
der mit ihr beim Abendrot sang.
Kein Lebewesen zu sehn weit und breit,
kein Ohr für ihr einsames Klagen.
Doch dann, eines Tages, geschah es:
Eine blaue Krähe ward müde.
Der Schwarm war gen Süden geflogen.
Auf der Pinie, da ruhte sie aus:
"Du hast mir das Leben gerettet!"
Sie piepst es dem Baum dankbar zu.
"So bleib doch und leist' mir Gesellschaft!
Nimm Platz hier auf meinem Ast.
Ich schenke dir Früchte zur Nahrung,
ich gebe dir Schatten und Schutz!
Wie lange schon hab' ich gewartet,
dass endlich ein Wesen mich braucht,
dass jemand sich nährt von den Früchten,
dass jemand sein Nest auf mir baut.
Jetzt kann auch ich einmal helfen,
jetzt endlich wird mein Leben froh."
Die Krähe probierte die Früchte:
"Gut sind sie! Und satt werd' ich auch!
Nur, Pinie, warum bleibst du einsam?
Warum wächst kein Baum neben dir?
Dein Samen, der fällt doch zur Erde,
warum wird draus niemals ein Baum?"
Die Pinie war traurig und klagte:
"Er wächst nur, wenn er gepflanzt.
Nur wenn ihn jemand vergräbet,
nur dann fasst er Wurzeln und keimt."
"Nur das?" Die Krähe war fröhlich,
flog auf und zog Richtung Süden.
Die Pinie blieb traurig alleine,
verstand nicht, was da geschah.
Nach Wochen sah sie gen Süden,
dorthin, wo die Krähe entschwand.
Da kam der Schwarm vieler Krähen,
und vorneweg die bei ihr war.
Sie brachte den Schwarm, ihr zu helfen,
den Samen im Feld zu vergraben.
Jetzt konnte er treiben und wachsen,
und bald wuchs ein Wald vieler Pinien.
Die Pinie war nun nicht mehr einsam:
Ein Wald hat sich um sie gebildet.
Die Krähen sind bei ihr geblieben,
sie gibt ihnen Nahrung und Schutz.
Die Krähen vergraben den Samen,
und eins hat vom anderen Nutz.
(Aus Afrika)
Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes!
1.Petrus 4,10
Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de