Gedanken für den 04.10.2021

Erst hören, dann reden

Ein Pastor berichtete nach einer Vortragsreise ins Ausland: Ich bewunderte die Dolmetscherin: Sie verarbeitete mehrere Gedanken zugleich. "Wie machen Sie das nur: Einen Satz übersetzen Sie noch, während Sie den nächsten schon wieder hören und einen dritten aussprechen?" So fragte ich sie. Das sei ganz einfach, erklärte sie. "Der Eingang muss eben stärker sein als der Ausgang. Ich darf mich nicht reden hören."
Das gab mir zu denken: Haben unsere Sätze oft so wenig Wert, weil wir zu wenig hören und zu viel reden? Finden wir deswegen so wenig Gehör, weil wir selber kaum hörende Menschen sind? Häufig unterbrechen wir den Gesprächspartner sogar. Und vielleicht überhören wir deshalb so vieles, weil wir nur das aufnehmen, was uns bestätigt und was wir bejahen.
Meistens haben wir auch schon eine Antwort "auf der Zunge", ehe der andere seinen Satz zu Ende spricht. Deshalb reden wir oft aneinander vorbei und verstehen uns nicht. "Ich darf mich selber nicht reden hören", meinte die Dolmetscherin. Das scheint das Geheimnis eines echten Dialogs zu sein. Martin Luther soll dazu einmal gesagt haben: "Der Mensch hat zwei Ohren und nur einen Mund, folglich soll er doppelt so viel hören als reden."

Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn!
Jakobus 1,19




Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de