Gedanken für den 15.09.2021

Ganz normal verrückt

Ein Märchen erzählt von einem bekannten Zauberer, der ein ganzes Königreich vernichten wollte. Er schüttete in den Brunnen, aus dem alle Einwohner des Landes tranken, einen Zaubertrank. Wer nun von dem Wasser trank, wurde verrückt. Am folgenden Tag tranken irgendwann alle Bewohner aus dem Brunnen und wurden alle verrückt. Nur der König und seine Familie hatten einen eigenen Brunnen, zu dem der Zauberer nicht gelangen konnte. Der König war sehr besorgt um seine Untertanen und erließ eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen und Gesetzen, die die Menschen in ihrer Verrücktheit schützen sollten. Doch die Beamten und Aufseher, die Polizisten und Hauptleute hatten ja alle von dem vergifteten Wasser getrunken und hielten die Beschlüsse und Gesetze des Königs für völlig absurd und gefährlich. Sie alle beschlossen, ihnen keine Folge zu leisten. Als die Menschen im Volk von den königlichen Verordnungen erfuhren, glaubten sie, der König sei verrückt geworden und würde nur noch sinnlose Gesetze erlassen. So rannten sie aufgebracht zum Palast und verlangten die Absetzung des Königs. Ganz verzweifelt wollte der König schon zurücktreten, als die Königin ihn hinderte und sagte: "Lass uns auch von dem Brunnen trinken. Dann sind wir genauso wie sie!" So tranken also der König und seine Familie auch von dem vergifteten Brunnen und fingen sofort an, sinnlose Dinge zu sagen. Nun fanden die Untertanen ihren König wieder in Ordnung und sie bereuten, seine Absetzung verlangt zu haben. Einen König, der plötzlich so viel Weisheit zeigte, könne man doch beruhigt weiter regieren lassen.
So war im Königreich alles in bester Ordnung. Das Leben verlief ohne Zwischenfälle. Und der König regierte bis zu seinem Lebensende in Frieden.

Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Torheit macht?
1.Korinther 1,20




Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de