Gedanken für den 05.09.2021

Wissen wir, warum?

Bis vor etlichen Jahren war es in einer Kirche Jütlands Brauch, dass die Kirchenbesucher vor der Tür der Kirche sich ehrerbietig nach der linken Seite verneigten. Da kam ein neuer Pfarrer. Er sah es und fragte nach dem Grund. Er fragte die Jüngeren - sie wussten es nicht. Sie hatten nur gesehen, dass die Alten es so machten. Er fragte die Alten - die hatten niemals darüber nachgedacht. Sie wussten nur, dass es immer so gewesen sei und deshalb auch wohl so sein müsse. Alle verneigten sich, und niemand wusste, warum.
Nach einigen Jahren wurde die Kirche restauriert. Dabei wurde das Rätsel gelöst. Als der Kalkputz weggeschlagen wurde, fand man zur linken Seite der Kirchentür ein altes, noch wohl erhaltenes Freskobild der Madonna mit dem Jesuskind. Das war also der Grund. In den Zeiten vor der Reformation hatte man sich vor dem Bild verneigt, später wurde es überputzt und vergessen. Alle aber verneigten sich auch später noch, obgleich schließlich keiner mehr wusste, warum.
Manche Menschen beten, was andere beten, singen, was andere singen, glauben, was andere glauben, tun, was andere tun, lassen, was andere lassen. Wissen wir, warum? Wissen wir, warum wir in der Bibel lesen, beten, in den Gottesdienst gehen, am Abendmahl teilnehmen, die Gebote halten und die Lüge ablegen? Wir sollten anderen den Grund nennen können und sie vielleicht mit wirklich guten Argumenten überzeugen.

So habe ich es auch für gut gehalten, es für dich, hoch geehrter Theophilus, in guter Ordnung aufzuschreiben, damit du den sicheren Grund der Lehre erfahrest, in der du unterrichtet bist.
Lukas 1,3f




Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de