Gedanken für den 17.08.2021
Erst im Rückblick
"Mit 26 Jahren bekam ich Zwillinge, von denen einer behindert war. Ich konnte das einfach nicht akzeptieren, ich habe gehadert: wie kommen wir dazu, so ein krankes Kind zu bekommen, wo wir uns doch so lieben und beide kerngesund sind! Das arme Kind durfte mit eineinhalb Jahren an einer Atemlähmung sterben. Nach dem ersten Schock fühlte ich mich befreit. -
Der andere Zwilling, ein entzückender, begabter Junge, wurde im Februar 45 vom russischen Militär überfahren, als unser Dorf evakuiert wurde und wir zu Fuß auf der Landstraße zu einer anderen Unterkunft unterwegs waren. Ich blieb allein zurück in einem unbewohnten Haus an der Landstraße mit dem sterbenden Kind und einem einjährigen Baby.
In dieser verzweiflungsvollen Nacht, von Gott und Menschen verlassen, hatte ich eine Christusbegegnung. Er holte mich auf dem tiefsten Punkt, der Talsohle meines Lebens ab, nahm mich bei der Hand und erfüllte mich mit neuer Lebenskraft. Ja, er gab mir die Kraft, das tote Kind, in eine dicke Decke fest eingewickelt, in den tiefgefrorenen Garten zu legen und mit dem Kinderwagen allein weiter zu ziehen, bis ich das Dorf fand, wo die anderen untergekommen waren.
Aber ich war nicht allein, Jesus ging neben mir, ich spürte seine Gegenwart ganz deutlich als große Hilfe und Kraftquelle, und er hat mich auch zeit meines Lebens nicht mehr verlassen.
Dennoch musste ich noch erleben, dass mein geliebter Mann, auf dessen Heimkehr ich immer noch hoffte, schon Mitte April 45 gefallen war, 14 Tage vor Kriegsende. Das konnte ich nicht verstehen. Ich glaubte, genug gelernt und begriffen zu haben. Die Losung an jenem Tag hieß: Fürwahr, du bist ein verborgener Gott! - Mein Schmerz war groß, aber ich konnte mich drein fügen, dass Gottes Gedanken höher sind als unsere und seine Wege auch. -
Ja, wenn ich zurückschaue auf mein Leben, muss ich sagen, dass die schwersten Zeiten mir auch den größten Segen gebracht haben, nur dadurch bin ich gereift. Aber man sieht es nicht, solange man drinsteckt, erst im Rückblick!" (Gertraud Rau)
Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland!
Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.
Jesaja 45,15; 54,8
Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de