Gedanken für den 10.08.2021
Ein Versprechen
Eine allein stehende Frau hatte über Jahrzehnte ihre kleine Oberwohnung an eine Mutter mit ihrer schwerbehinderten Tochter vermietet. Die drei Frauen teilten sich freundschaftlich alle Arbeiten in dem alten Haus. Die behinderte Tochter wurde erwachsen und hatte im Ort eine kleine, einfache Arbeit gefunden. Eines Tages erkrankte die Mutter ernsthaft, und nach einem Jahr von Operationen und Behandlungen nahte ihr Lebensende. Der Arzt hatte ihr offen gesagt, dass es keine Besserung mehr geben würde. Als ihre Kräfte zu Ende waren und der Tod spürbar nahe kam, hatte die Mutter nur noch die eine große Sorge, was mit ihrer behinderten Tochter würde, wenn sie nicht mehr für sie sorgen könnte. Am Abend vor ihrem Tod rief sie in ihrer großen Not nach der Vermieterin und bat sie unter Tränen und als Sterbende, ihr zu versprechen, dass sie sich um ihre Tochter kümmern würde. Die Frau versprach es der Mutter, um ihr die große Sterbensnot und den Abschiedsschmerz zu lindern, obwohl sie in ihrem Herzen wusste, dass sie das nicht würde halten können. Die Mutter schlief daraufhin in der Nacht beruhigt ein. Einige Jahre noch lebte die behinderte Tochter im Haus der Frau. Dann musste sie in ein Heim übersiedeln, weil sie ihr Leben nicht allein bewältigen konnte. Als die Vermieterin selber älter wurde und ihr Ende spürte, wurde die Last des nicht gehaltenen Versprechens immer größer. Sie hatte gedacht, die Zeit würde diese Wunde heilen. Aber je mehr Zeit verging, desto größer wurde ihre Not. So offenbarte sie sich in der Seelsorge und brachte ihre Schuld unter das Kreuz. Erst unter dem Zuspruch der Vergebung konnte sie wieder den Alltag bewältigen und die Nächte wieder normal schlafen.
Was haben Menschen nicht alles versprochen, sich selber, anderen Menschen, und auch Gott! Und was haben sie davon wirklich gehalten? Ich glaube, wir Menschen sind ein Versprechen, das nicht gehalten werden kann. Nur Gott hält wirklich ganz, was er uns versprochen hat. Und das ist unser Glück.
Denn des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiss!
Psalm 33,4
Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de