Gedanken für den 23.07.2021

Voller Entdeckungsfreude beim Einkaufen

Als ein erprobtes Mittel gegen allerlei Beschwerden, die nach einer kleinen Aufmunterung verlangen, hat sich bei mir ein Besuch im nahen Selbstbedienungsladen bewährt.
Auch nachhaltig wirkt diese Medizin noch ausgezeichnet. Heute will ich sie mir verordnen. Gleich sind meine Lebensgeister wieder geweckt, und ich bin voller Entdeckungsfreude!
Dieses "Selbst" beginnt schon am Eingang. Ich brauche niemanden zu bitten. Die Türen öffnen sich automatisch. Manchmal flüstere ich trotzdem: "Danke!"
Dann fahre ich weiter, bremse, sehe, staune; widerstehe mancher Verführung - oder auch nicht - wie hier in der Schreibwarenhandlung, wo mir bunte Filzstifte entgegenleuchten! - Der Wunsch wird erfüllt. Ganz vergnügt lasse ich die Packung unter meiner Decke im Fußsack verschwinden.
So kaufe ich immer ein. Neben oder auf meinen Füßen liegen die neuen Habseligkeiten am sichersten. Melonen, Bananen, schwer gefüllte Obsttüten drücken mich zwar, aber ich fühle mich dann so reich beladen sehr glücklich. An der Kasse holt dann eine junge Frau flink alle Waren aus dem Versteck hervor, lässt mich bezahlen und verstaut sie wieder "mir zu Füßen".
Noch versunken in Gedanken an meinen neuen Besitz mache ich mich langsam startbereit und setze mich in Bewegung. Da taucht - wie aus einem Hinterhalt - vor mir eine Dame auf, stellt sich mir in den Weg und sieht mich mit kritischen, unruhigen Augen an: "Warum verstecken Sie die Packung?", fragt sie mich ein wenig bebend, spitz und patzig. Ihre Lippen zittern.
"Warum ...?" Ich möchte ihr erklären, dass es in meiner Situation keine andere Möglichkeit gibt, als auf "diese" Weise einzukaufen. Vom Schoß würde mir alles herunterfallen und zerbrechen. Die Erfahrung hab ich längst machen müssen. Mit der rechten Hand bediene ich den Schalthebel, mit der linken den Steuerknüppel. Vielleicht müsste ich noch lernen, die Dinge auf dem Kopf zu balancieren - wie andere Erdenbewohner es so phantastisch beherrschen. Nur, dazu gehört ein elastischer Gang.
Es genügt aber, dass ich ihr "Warum" wiederhole - fragend, beweisend, gelassen. Bestürzt entschuldigt sie sich und sagt noch einmal sehr leise, stillgeworden: "Oh, verzeihen Sie mir, bitte ... " (Lieselotte Jacobi)

Gott rüstet mich mit Kraft und macht meine Wege ohne Tadel.
Psalm 18,33




Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de