Gedanken für den 18.06.2021
Wesentliche Fragen
Ein älteres Ehepaar unter unseren Bekannten trägt eine schwere Last. Die Frau hat die Alzheimer-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium, und ihr Mann versorgt und pflegt sie zu Hause. Neben der körperlichen Belastung und der rund um die Uhr nötigen Präsenz sind die seelischen Belastungen am notvollsten. Immer wieder fragt die Frau: "Wer bin ich?" Sie weiß nicht mehr, wie sie heißt. "Wer bist du?" Sie erkennt ihren Ehemann nicht mehr. "Wo sind wir?" Ihr fehlt jeder Orientierungssinn. Bei den täglichen kleinen Spaziergängen: "Wo gehen wir hin?"
Die Fragen kehren immer wieder, und die geduldigen Antworten sind schnell vergessen. Es ist interessant, dass die Fragen in einer solchen Grenzsituation des Leides auch die wesentlichen Fragen des Lebens überhaupt sind. "Wer bin ich?" Wissen wir es wirklich? "Wer ist der andere?" Kann man überhaupt einen anderen Menschen richtig erkennen?
"Wo sind wir?" Kennen wir unseren Ort im Zusammenhang von Kosmos und Geschichte? "Wohin gehen wir?" Haben wir letzte Auskunft über allerletzte Zukunft?
Es ist deutlich, dass der Mensch gar nicht in der Lage ist, auf die wesentlichen Fragen seines Lebens aus sich heraus eine Antwort zu finden. Auch wir brauchen jemanden, der uns die Antworten und Deutungen des Lebens zuspricht. Unsere und der anderen Identität empfangen wir aus dem Zuspruch Gottes: "Du bist mein geliebtes Menschenkind!" Wir leben auf Gottes Erde und in Gottes Geschichte an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit. Und wir gehen in eine letzte Zukunft, die Gott uns als seine ewige Welt eröffnet hat. Auf die wesentlichen Fragen unseres Lebens brauchen auch wir immer wieder die geduldigen Antworten der göttlichen Liebe.
Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.
Jeremia 31,3
Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de