Gedanken für den 31.03.2021

Der Ostergruß

Ich bin Landwirt. Meine Frau ist in Russland geboren. Seit vielen Jahren bewohnen wir unseren eigenen Hof in Yorkshire. Damals suchten wir eine Haushaltshilfe, und meine Frau äußerte den Wunsch, eine russische Emigrantin einzustellen.
Drei Wochen vor Ostern trat ein junges Mädchen bei uns ihre Stellung an, ungefähr sechzehnjährig und stets mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Wie wohltuend war ihre frische Art, weil damals in unserer Familie, besonders zwischen uns Eheleuten, nicht eitel Friede herrschte.
Am Ostermorgen hatten wir einen heftigen Streit. Ein böses Wort gab das andere, bis ich schließlich sogar Mühe hatte, mich äußerlich zu beherrschen. Ich hatte Lust, alles kurz und klein zu schlagen.
So saß ich denn am Frühstückstisch mit geballten Fäusten. Als es an der Tür klopfte, sprang ich auf. Aber herein trat das Mädchen mit dem Tablett, und mit sanftem Lächeln sagte es: "Kristos voskres!"
Der Gegensatz war unbeschreiblich. Da waren wir beide, meine Frau und ich, mit zornroten Köpfen und Herzen voller Hass, und daneben dieses Mädchen, das Frieden ausstrahlte.
Meine Frau wandte sich um, bedeckte das Gesicht mit den Händen und begann zu weinen. Ich sah diese Tränen, fragte mich überrascht, was hier passiert sei, und sagte: "Was hat das Mädchen gesagt?" Denn ich verstehe nur wenig Russisch.
Meine Frau blickte auf - ich werde das nie vergessen. Als ich sie ansah, las ich in ihrem Blick etwas von der Liebe, die sie mir vor Jahren entgegengebracht hatte. Ganz einfach sagte sie: "Christus ist auferstanden. Das hat Anna gesagt!" Plötzlich verstand ich den Zusammenhang. Es war ja Ostern, und an Ostern grüßte man sich in Russland mit den Worten: "Christus ist auferstanden."
Was für traurige Erinnerungen musste dieser Gruß in meiner Frau geweckt haben. Ich erkannte, dass sie sich im Geist zurückversetzte in längst vergangene Zeiten. Wortlos trat sie zu mir, legte die Hände auf meine Schulter und sagte: "Es tut mir Leid, mein Lieber, bitte verzeih mir, wenn du kannst."
"Ich dir verzeihen? Wir haben Vergebung nötig, auch ich."
Sie können sich kaum vorstellen, welche Veränderung das in unserem Haus bewirkt hat. Wahrhaftig, Christus war in unseren Herzen auferstanden. Wir schauten auf zu ihm und begannen gemeinsam, ihm zu dienen.
Es würde zu weit führen, wenn ich alles berichten wollte, was seither geschehen ist. Ich weiß nur, dass wir heute zu den glücklichsten Menschen gehören, und das, weil uns jemand im rechten Augenblick an die große, herrliche Botschaft erinnert hat: "Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!" (N.N.)

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind!
1.Korinther 15,20




Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de