Gedanken für den 21.02.2021

Die Fußmatte

Während einer Gemeindewoche in einem kleinen Dorf fiel mir allabendlich ein großer Mann auf, der deutlich behindert, aber besonders aufmerksam war. Nach einem Vortrag über den Wert des Menschen kam er mit Tränen in den Augen zu mir. Ich hatte an dem Abend über die Augen der Liebe gesprochen, mit denen Gott sonders die schwachen, kleinen, verwundeten und geschundenen Menschen ansieht. In den Augen Gottes sind alle Menschen - unabhängig von Leisten, Können und Wissen - kostbare Schätze und grenzenlos geliebt. So kostbar und geliebt, dass Gott seinen einzigen Sohn für sie dahingibt. Das hatte den Mann, der im Alltag verachtet, zurückgesetzt und ausgeschlossen war, so beglückt und erfreut, aufgerichtet und ermutigt. Mit ungelenken Gebärden und schweren Worten machte der Mann mir verständlich, dass er zu gerne die Kassette mit dem Vortrag haben möchte, aber kein Geld habe. Ich nahm ihn in den Arm und schenkte ihm voller Freude die Kassette.
Am Abend darauf kam er mit einer großen Tüte in die Kirche und brachte hinterher unbeholfen und verschämt eine Fußmatte daraus hervor. In der Behinderteneinrichtung hatte er selbst diese Fußmatte hergestellt und schenkte sie mir. Viele Menschen hätten ihn wie eine Fußmatte behandelt und mit Füßen getreten, aber nun sei er ein kostbarer Schatz bei Gott. Nun war ich gerührt und von seinem Geschenk tief bewegt. Welch ein Wechsel von der Fußmatte zur Perle.
Sechzehn Jahre lang hat die unverwüstliche Matte vor unserer Haustür gelegen. Und bei jedem Betreten und Verlassen des Hauses hab ich an den behinderten Mann gedacht und ihm von Herzen wünscht, dass er das nie vergisst, dass er bei Gott ein Juwel ist.

Weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist, habe ich dich herzlich lieb!
Jesaja 43,4




Axel Kühner "Zuversicht für jeden Tag"
© 2002 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn, 7. Auflage
2017
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages
Quelle: www.miriam-stiftung.de